19.10.2011 – Nach Tsedang

Heute erwartet uns ein Abenteuertag. Darum müssen wir etwas früher aufstehen und es geht statt um 9 Uhr schon um 8 Uhr 30 los. Der Ablauf am morgen ist schon automatisiert. Das Frühstück ist wieder sehr lecker, der Service in diesem Hotel, übrigens dem besten in ganz Tsedang.

Pünktlich um 8 Uhr 35 fahren wir los zur Fähre. Wir sind etwa 40 Minuten unterwegs und fahren ein Stück des Weges zurück auf der Hauptstraße, immer entlang am Bramaputra Fluß, den wir nachher wieder mit der Fähre ein Stück flussaufwärts fahren werden.
Während unser Busfahrer uns sicher über die nicht immer ganz einfachen Straßen chauffiert, erzählen Herr Tang und Yuke wieder informative Dinge aus dem tibetischen und chinesischen Leben. Wir sehen viele Kornfelder und erinnern uns, dass wir von der Burg gestern einen guten Blick auf die Kornfelder hatten.Yuke erklärt uns, dass dieser Landkreis die Kornkammer Tibets ist.

Gegen 9 Uhr 15 erreichen wir die Fährstation. Wir sind bisher die einzigen Passagiere. Der Fluß liegt ruhig vor uns, es ist kalt aber die Sonne schiebt sich schon hinter den Bergen hervor. Über dem Fluß liegt dichter Nebel. Die drei Fähren, einfache Holzboote ohne Dach, liegen ruhig am Ufer und werden von der Strömung immer wieder gegen das Ufer gedrückt. Wir sehen noch keine Bootslenker.

Mit einem Mal kommen ein paar Tibeter von irgendwo her und mit ihnen im Gefolge eine ganze Busladung tibetischer Pilger. Unsere deutsche Gruppe und die Tibeter werden auf unterschiedliche Fähren aufgeteilt. Trotzdem dauert es noch eine gute halbe Stunde, bis die Dieselmotoren angeworfen werden und wir aufbrechen.

Auch in unserem Boot sitzen ein paar Tibeter, die sich aber sehr schüchtern und zurückhaltend verhalten. Sie schauen immer nur sehr verschämt und schüchtern in unsere Richtung, sind dann aber ganz begeistert, wenn wir ihnen die Bilder zeigen, die wir von ihnen geschossen haben.

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Das Boot der Pilger ist vor uns gestartet und gut 50 Meter vor uns auf dem Fluss, doch dann wird es langsamer und wir überholen. Dabei kommen sich die beiden Boote sehr nah, so dass wir einander die Hände schütteln können. Rita und Vera werfen ein paar kleine Packungen mit Gummibären zu den Kindern hinüber.

Es ist frisch auf dem Fluss und wir sind alle angezogen, als wären wir im Wintersport. Das ist aber genau die richtige Bekleidung für dieses Wetter.

Die Bootsfahrt dauert entgegen der ersten Ansage von Yuke nur knapp 60 Minuten, also 30 Minuten kürzer als vorher angekündigt. Wir verlassen die Boote und steigen in die bereitstehenden Busse um. Es sind zwar kleine Busse, für maximal 15 Personen, aber damit wäre die Frage nach dem Gefährt geklärt.

Mit dem Bus sind wir nochmal 20 Minuten auf einer sandigen Straße unterwegs, die diesen Namen eigentlich nicht verdient hat. Der Fahrer muss sich schon konzentrieren, damit der Bus in dem weichen sandigen Boden sich nicht festsetzt und wir dann nicht mehr fortkommen. Doch er macht seine Sache wirklich gut.

Wir fahren an interessanten Bergformationen vorbei, an gewaltigen Dünen. Die Sonne scheint mittlerweile schon recht kräftig, uns wird in dem Bus richtig warm, weil wir noch immer unsere dicken Jacken anhaben. Der Busfahrer legt ein zügiges Tempo vor, so dass wir dann um 11 Uhr 20 am Samye Kloster ankommen.

Herr Tang ist wie immer gut vorbereitet. Er erzählt uns in seiner unnachahmlichen Art, dass dieses Kloster im Jahr 749 erbaut wurde. 779 wohnte der tibetische König hier. Das Kloster hat die kreisförmige Form eines Mandala. Zur Zeit wohnen 132 Mönche hier und der Abt des Klosters ist ein Lama. Das Kloster ist umringt von einer Mauer, auf der kleine Stupas aufgebracht sind und in der Nähe befindet sich ein Nonnenkloster.

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Herr Tang führt uns in das Kloster. Yuke ist ganz erstaunt, dass wir immer noch durchhalten und noch nicht genug von den Klöstern bekommen. Wir besichtigen das Obergeschoss des Samye Klosters. Es wurde in der Kulturrevolution komplett zerstört und später wieder aufgebaut.

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Samye ist ein sehr berühmtes und auch beliebtes Kloster. Während unserer Besichtigung müssen wir uns immer wieder zwischen den tibetischen Pilgern hindurch schummeln und aufpassen, von ihnen nicht abgedrängt zu werden.

Denn die tibetischen Pilger betrachten, zumindest für unsere Augen, ihr pilgern als ein Programm, welches abgearbeitet wird. Sie hetzen von einer Statue zur nächsten, kippen einen Schuß Yak-Öl oder Yak-Butter in den Kerzenhalter und eilen dann weiter.

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Neben den normalen Pilgern, die aus Bauern oder anderen einfachen Arbeitern bestehen, kommen auch Mönche hierher und besuchen das Samye Kloster. Während wir gerade in der großen Gebetshalle sind und Herrn Tangs Ausführungen folgen, sehe ich einen Mönch in seiner gelb-roten Kutte, der eine Videokamera dabei hat und ein paar Filmaufnahmen macht.

Was Herr Tang über den Buddhismus und die verschiedenen Lamas berichtet ist wirklich sehr interessant, aber schade ist es trotzdem, dass wir uns so wenig an Fakten merken können. Wie muss ihm als Professor für tibetische Geschichte unser Verhalten vorkommen, wo wir doch ständig dabei sind, Fotos und Videoaufnahmen zu machen?
Als es kurz nach 13 Uhr ist gehen wir essen. Herr Tang führt uns in ein einheimisches Restaurant. Es wird Nudelsuppe bestellt. Während wir auf unser Essen warten, betreten drei Mönche das Lokal und setzen sich an einen anderen Tisch. Einer der Mönche greift in seine Kutte und zückt ein Smartphone. Auch hier hat der Fortschritt Einzug gehalten.

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Um 14 Uhr fahren wir wieder zurück zur Fähre. Es ist inzwischen richtig warm geworden.
Wieder an der Fähre angekommen teilen wir das Boot auf der Rückfahrt mit einer Gruppe von rund 20 tibetischen Pilgern, anscheinend eine Großfamilie, wie sich aus dem Umgang der einzelnen Tibeter untereinander ergibt.

Die Tibeter sind sehr schüchtern, aber wie schon auf der Hinfahrt tauen sie etwas auf, sobald sie die Fotos zu sehen bekommen, die wir von ihnen machen. Aber nicht alle wollen fotografiert werden. Es gibt auch einige, die das nicht wollen und dann konsequent die Hand vors Gesicht halten. Das muss man akzeptieren und wir tun das auch. Weltoffener sind dagegen die Kinder, die auch hier in Tibet, wie überall auf der Welt mit technischem Spielzeugen aufwachsen. Denn auch wir wurden von einem tibetischem Jungen, etwa 10 Jahre alt, mit einer Videokamera gefilmt, die sogar HD-Qualität besaß.
Wieder am anderen Ufer angekommen, besteigen wir nach kurzer Toilettenpause den Bus und fahren weiter. Yuke und Herr Tang gehen davon aus, dass wir total geschafft sind und ins Hotel wollen, doch die Gruppe möchte einstimmig noch das gestern aus Zeitmangel versäumte Kloster nachholen.
Yuke meint nur „Diese Gruppe sollte ich kennen“

Also fahren wir zum nächsten Kloster. Wir fahren zum Traduk Tempel, welches älter ist als das Samye Kloster. Es wurde im 7 Jahrhundert erbaut und gehört zur Gruppe der roten Mütze. Etwas 40 Mönche leben in diesem Kloster. Wir können hier Pilger beim Gebet beobachten und sehen, wie sie sich zu Boden werfen und wir sehen, wie Tankas hergestellt werden. Die Pilger und auch die Mönche, denen wir begegnen, sind sehr nett.

Aber irgendwann ist auch unsere Aufnahmefähigkeit erschöpft und so fahren wir in unser Hotel zurück. Nachdem wir uns dann frisch gemacht und etwas geruht haben, geht es zu Fuß zum Abendessen. Wir landen in einem kleinen unauffälligen Lokal, welches nach Yukes Aussage berühmt für eine bestimmt Art von Speise ist. Im oberen Geschoss angekommen eröffnet Yuke uns, dass er Nudelsuppe und einen chinesischen Döner bestellt hat. Die Kombination ist für uns neu, aber wir sind neugierig und stimmen zu. Als die Gerichte dann kommen und wir die ersten Bissen probiert haben, sind wir überrascht. Der chinesische Döner schmeckt. Er besteht aus einem dünnen Brötchen, ähnlich einem Burger, und Fleisch dazwischen. Es ist zwar recht fett, aber sehr schmackhaft. Auch die Suppe ist sehr lecker, aber wie immer sind die Portionen viel zu groß.

Später im Hotel werden Sibylle und ich dann noch Zeuge eines Unfalls. So gegen 11 Uhr sind wir gerade dabei ins Bett zu gehen, als ein ganz kräftiger und lauter Knall direkt unter unserem Fenster zu hören ist. Wir schauen aus dem Fenster und können sehen das ein großer weißer Jeep direkt im Vorgarten steht. Die Angestellten des Sicherheitsdienstes die am Anfang der Auffahrt Ihren Sitz haben, eilten gleich herbei. Auch die Leute aus dem Auto stiegen aus. Es wurde ganz sachlich geredet, keine lauten Diskussionen. Letztendlich hat der Fahrer mit Hilfe der umstehenden Leute das Auto fast auf der Stelle gewendet und ist wieder auf die Hofeinfahrt gefahren. Um den Grünstreifen nicht noch mehr zu beschädigen, wurde ein kleiner Teil des Gartenzaunes beiseite geräumt. Wir mussten uns das ganze Geschehen erstmal in Ruhe ansehen um zu begreifen was geschehen war. Der Fahrer muss von dem Hoteleingang losgeprescht sein, hat dann einen ca. 1,20 hohen, 40×40cm großen Betonpfeiler umgenietet ist dann über einen kleinen metallenen Gartenzaun in die Botanik gefahren und ist kurz vor einem Baum zum stehen gekommen. Das Hotel selber hat er dabei auch leicht touchiert. Unserer Meinung nach kann er nur besoffen gefahren sein. Diverse Autoteile (Scheinwerfer usw.) lagen auf dem Weg verstreut. Das Auto selber hatte eine große Beule am linken Kotflügel. Nach kurzem Gerede ist das Auto dann vom Hof gefahren. Wer dann am Steuer saß konnten wir aufgrund der Dunkelheit nicht feststellen. Wir werden morgen den anderen davon berichten und sind auch gespannt was Yuke dazu zu berichten hat.

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