18.10.2011 – Abschied von Lhasa

Das Frühstück war wie immer sehr lecker und Martina war heute morgen auch wieder mit dabei. Wir alle genossen den letzten Morgen in Lhasa, bevor es dann auf unsere Weiterreise nach Tsedang ging. Wir bestiegen den Bus um kurz nach halb neun und verließen den Hinterhof, wo das Hotel lag. Der Bus zwängte sich vorsichtig durch die enge Durchfahrt und versuchte im bereits voll eingesetzten Berufsverkehr auf die Hauptstraße einzubiegen. Plötzlich begann Sibylle nach ihrem Schal zu suchen. Er war nicht in ihrem Rucksack, auch nicht in meinem. Dann musste er noch im Hotelzimmer liegen. Ich lief nach vorne zu Yuke und bat ihn, kurz den Bus anzuhalten, damit ich zurück laufen und den Schal holen konnte. Zum Glück waren wir noch nicht so weit gekommen. Yuke begleitete mich, da dies die Kommunikation mit den Hotelangestellten erleichtern würde. Tatsächlich lag der Schal noch auf unserem Bett. Auch Yuke nutze die Gelegenheit und kramte den bereits in den Abfalleimer geworfenen weißen Begrüßungsschal wieder hervor. Wir hatten gestern gesehen, dass viele Pilger diese Schals als Opfergabe benutzen.

Wieder zurück im Bus erfahren wir von Winnie, Michi und Frank, dass der Busfahrer wilde Wendemanöver durchgeführt hat, während wir fort waren.

Während wir uns aus Lhasa herausbewegen und ein letzten Mal den Potala Palast sehen können, erzählt Yuke uns wieder Geschichten, die seine persönliche Einstellung zu seinem Heimatland China widerspiegeln. Er ist schon sehr kritisch und weiß, das China kein perfektes Land ist und in vielen Teilen eine Art Schurkenstaat repräsentiert. Als Beispiel führt er hier die Taxifahrer an, die ihren Obulus nach Gutdünken berechnen und auch schon mal Fahrgäste abwimmeln, weil sie keine Lust haben.

Wir verlassen Lhasa über eine Brücke und überqueren den Lhasa Fluß, die Stadt liegt im Morgendunst, ein wirklich mystischer Anblick.
Herr Tang, unser Professor, ergreift das Mikrofon und beginnt uns heute etwas über die Bestattungsrituale der Tibeter zu erzählen. Auch das gehört zu dieser Kultur, die wir gerade beginnen zu erkunden. Bereits kennengelernt hatten wir die Erdbestattung. Diese erklärt Herr Tang uns auch noch einmal sehr ausführlich. Die Wasserbestattung ist eine Art der Bestattung, die vorwiegend von den ärmeren Menschen Tibets, vorwiegend Bettlern, vorgenommen wird. Hierbei wird der Leichnam des Toten zerschnitten und in den Fluss geworfen. Aus diesem Grund essen die Tibeter auch nicht gerne Fische, die aus den Flüssen stammen.

Neben der Erd- und der Wasserbestattung gibt es auch noch die Feuerbestattung. Etwa 95% der Tibeter ziehen die Himmelsbestattung vor. Bei dieser Art wird der Leichnam ebenfalls zerschnitten, allerdings nach genau vorgegebenen Ritualen, und dann den Geiern zum Fraß gereicht. Die einzelnen Abläufe der Bestattungen klingen für westliche zivilisierte Ohren recht archaisch und brutal, darum will ich hier nicht weiter darauf eingehen.

Nach dieser ersten morbiden Geschichte verstummt der Bus und wir biegen auf die Autobahn ein. Unser heutiges Tagesziel ist der Ort Tsedang, eine Stadt mit 40000 Einwohnern und die drittgrößte Stadt Tibets. Eine halbe Stunde fahren wir auf der Autobahn, dann geht es wieder auf die Landstraße. Links und rechts der Straße stehen große Weidenbäume, unter denen wir eine ganze Zeit lang hindurch fahren.

Herr Tang nutzt die Zeit und klärt uns über die Unterschiede zwischen Dalai Lama und Panchen Lama auf. Der Dalai Lama ist höher gestellt als der Panchen Lama, er beschäftigt sich auch mit Politik, während der Panchen Lama nur mit der Lehre beschäftigt ist. Panchen bedeutet nämlich „Großer Gelehrter“.

Während wir den Worten lauschen und die Landschaft genießen, kommen wir in die Nähe eines Sees, der am Fuße einer Bergkette liegt. Wir legen einen spontanen Zwischenstop ein und genießen die wunderschöne Landschaft. Wir müssen zwar ein paar Minuten gehen, bis wir in der Nähe des Wassers sind, aber das ist es wert. Die Bäume und Sträucher blühen in gelben und grünen Farben, die an den kanadischen Indian Summer erinnern. Nur die Färbung Rot fehlt. In der Ferne sehen wir dann die Berge, deren Gipfel teilweise mit Schnee bedeckt sind. Und der See liegt ruhig da.

Gegen 11 Uhr 15 erreichen wir das Mindroling Kloster in den Bergen.

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Es ist das bedeutendste Kloster der Roten Mützen. Die Mönche in diesem Kloster beschäftigen sich vornehmlich mit Dichtung, Musik, Malerei und Medizin. Das Kloster wurde um 1676 gegründet, bereits 1716 wurde es von einem Mongolenfürsten verbrannt und erst später wieder aufgebaut. Früher lebten hier 300 Mönche, heute sind es 51. Das Kloster ist sehr arm, es gibt hier keinen Lama, der die Aufsicht hat. Pilger und Touristen verirren sich nur sehr selten in dieses Kloster, was aber wirklich erstaunlich ist, denn wir genießen es sehr, hier zu sein. Wir haben das besondere Glück, einen Mönch zu treffen, der mit uns eine Art Privatführung macht. Wir dürfen in der Gebets und Lehrhalle fotografieren und er gibt bereitwillig Auskunft. Der Dialog findet allerdings immer nur über Herrn Tang statt, der ein Tibeter ist. Yuke versteht kein tibetisch. Zwei Stunden lang besuchen wir fast alle Räume des Klosters und lauschen den Worten von Herrn Tang, auch wenn wir wieder die gleichen Dalai Lamas als Statuen zu sehen bekommen und wir allmählich den Eindruck bekommen, das doch alle Klöster gleich sind.
Aber die persönliche Art der Führung und die Tatsache, dass wir hier eben fast ganz allein sind, macht dieses Kloster für uns so besonders, und natürlich der außerordentlich nette Mönch, der sich sogar mit uns fotografieren lies.

Auf dem Weg zum Bus besuchen wir noch kurz und außerplanmäßig die dazugehörige Stupa.

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Gegen 13 Uhr 15 verlassen wir das Mindroling Kloster und machen uns auf den Weg nach Tsedang. Doch auch hier wartet der nächste ungeplante Stopp auf uns. Wir halten an einem chinesischen Denkmal, welches am Bramaputhra Fluß liegt.

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Schließlich erreichen wir Tsedang. Unser Magen hängt mittlerweile in den Kniekehlen. Plötzlich wird die ruhige Straße unruhig, wir müssen eine Abkürzung über einen Waldweg nehmen, da die Hauptstraße neu gemacht wird. Dieser Waldweg ist aber sehr eng, er führt uns vorbei an Grundstücken, die wie Müllhalden aussehen. Mit einem Mal haben wir Gegenverkehr und kommen nicht weiter, weil zusätzlich ein großer Schweinetransporter den Weg versperrt. Nach ein paar Minuten hat sich Situation aber entspannt und der Laster fährt zur Seite, so dass wir wieder auf die Hauptstraße einbiegen können.
Bis zum Mittagessen dauert es aber noch eine ganze Zeit. Es wird 15 Uhr 30, als wir endlich ein Nudellokal gegenüber unseres Hotels finden, in dem wir eine Kleinigkeit zu Essen bekommen. Wobei es sich nicht um einen Italiener handelt, sondern um eine chinesische Spezialität handelt. Die Kleinigkeit erweist sich als großer Topf mit heißer und scharfer Suppe, dazu noch die hausgemachten Nudeln. Das Essen ist zwar einfach aber sehr lecker. Aber außer Uwe schafft keiner seine Portion aufzuessen.

Wir checken anschließend kurz im Hotel ein, dann geht es aber auch schon weiter zur Yongbulakang Burg, die nur 15 Autominuten außerhalb der Stadt liegt.

Wir können mit dem Bus nicht den Berg hinauffahren, wo die Burg steht. Man erreicht die Burg nur zu Fuß oder per Esel. Sibylle, Uwe, Vera, Rita und Yuke entscheiden sich für den Esel, wir anderen gehen den Weg zu Fuß hinauf. Beim Aufsteigen merken wir alle sehr schnell die Höhenmeter, auf denen wir uns befinden.

Doch die Strapazen lohnen sich. Wir stehen schließlich 200 Meter höher als zuvor vor einer uralten Burg, die im 2 Jahrhundert vor Christus erbaut wurde und auch heute noch von 10 Mönchen bewohnt wird. Natürlich hat auch hier längst die Moderne Einzug gehalten, aber es ist immer noch vieles sehr ursprünglich. Die Burg wurde vom ersten tibetischen König errichtet.

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Wir genießen die Ruhe und Friedsamkeit hier oben sehr. Wir sind fast allein, ein französisches Paar wuselt noch ein wenig mit einem tibetischen Führer hier oben rum, aber das war es auch schon. Nach dem Besuch der Burg gehen wir noch ein Stück hinter der Burg den Berghang hinauf und ruhen uns ein wenig aus und nutzen die Zeit für ein Gruppenphoto. Dabei treffen wir auf eine Gruppe junger Mädchen, die unbedingt Gebetsfahnen verkaufen wollen. Sie verstehen uns nicht und wir verstehen kein tibetisch. Die Kommunikation ist darum etwas schwierig.

Gegen 18 Uhr verlassen wir die Burg und sind dann gegen 18 Uhr 30 wieder im Hotel. Nachdem wir uns ein wenig ausgeruht haben geht es zu Fuß zum Essen in ein nettes Lokal mit Sezchuan Küche. Wir werden leider wieder in einem separierten Raum untergebracht. Immerhin müssen wir auf dieser Reise nicht ständig nach Stäbchen fragen, wie es auf der Südchina Tour der Fall war. Damals wollte man uns europäischen Touristen immer Messer und Gabel andrehen, doch mittlerweile sind wir alle recht fit im Umgang mit diesen Stäbchen und können sogar Nudelsuppe damit essen, was wir schon zwei Mal zu Mittag erproben konnte.

Aber heute Abend gab es keine Nudelsuppe, sondern wie meist am Abend eine reichhaltige Auswahl an verschiedenen chinesischen Speisen. Wir hatten Reis, Mangold, süß-saures Hühnchen, eine heiße Platte und andere leckere Speisen, die von uns wieder in Rekordzeit leer gemacht wurden. Wir essen immer, als gäbe es am nächsten Tag nichts mehr, doch es schmeckt uns auf dieser Reise einfach immer sehr gut und wir können die Menschen nicht verstehen, die etwas an der chinesischen Küche auszusetzen haben.
In geselliger Runde ließen wir den Abend und einen ereignisreichen Tag dann ausklingen. Zu Fuß ging es dann wieder zurück in unser Hotel, welches wirklich sehr gut ausgestattet und optisch sehr anspruchsvoll aufgemacht ist. Während Vera, Gabi, Uwe und Winnie noch einen kleinen Absacker zu sich nehmen, verschwinden Martina, Michi, Sibylle und ich auf unseren Zimmern. Wir freuen uns alle schon auf den morgigen Tag, der dem Wort Abenteuer sehr nahe kommen wird. Unser Ziel ist das Samye Kloster, welches wir aber nicht mit dem Bus erreichen können. Statt dessen müssen wir mit einer offenen Fähre erst ein ganzes Stück auf dem Fluss fahren, dann in ein noch nicht näher bezeichnetes Gefährt umsteigen. Dies variierte, so Yukes Aussage, im Lauf der Jahre von Yak über Lkw zu Bus. Er weiß nicht, was uns morgen erwarten wird. Wir sind gespannt und gehen mit diesen Gedanken schlafen.

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