16.10.2011 – Lhasa

Die letzte Nacht war hart und kurz. Die Betten in den sehr schön tibetisch eingerichteten Zimmern waren bretthart, so dass jede Seitenlage erhebliche Schmerzen auf den Beckenknochen verursacht. Wir haben beide nicht so gut geschlafen und uns immer wieder von einer Seite auf die andere gewälzt. Dafür kommen wir dann aber in den Genuss eines sehr leckeren und abwechslungsreichen Frühstücks.

Als wir nach dem Frühstück mit unseren Rucksäcken nach unten in die Halle gehen, spüren wir bereits, dass es doch noch recht frisch draußen ist, obwohl es schon 9 Uhr am Morgen ist. Aber eine Fleecejacke mit leichter Überjacke war erst mal vollkommen ausreichend. Wir treffen vor dem Hotel unseren neuen örtlichen Reiseleiter, der Deutsch spricht, für die nächsten Tage in und um Lhasa herum. Sein Name ist Tang und er scheint mir schon um die 55 bis 60 Jahre alt zu sein. Wir sind gerade dabei, die Fahne zu entrollen, die wir extra für Yuke besorgt haben, damit er mit dieser Fahne immer voraus laufen kann. Doch Herr Tang erklärt uns, dass Fahnen hier verboten sind. Das in Lhasa allgegenwärtige Militär, das wir auch schon an vielen Stellen gesehen haben, würde die Fahne sofort mitnehmen und vernichten.

Unsere erste Station an diesem wunderschönen und sehr sonnigen Morgen ist der Jokhang Tempel, den wir auf verschlungenen Pfaden durch ein paar Nebenstraßen und zwischen den Häusern in der Altstadt erreichen. Menschenmengen kommen uns entgegen, wir fühlen uns, als wären wir in Shanghai in der Nanjing Straße. Darunter sind Pilger, Bettler und Soldaten mit Maschinengewehren im Anschlag. Immer wieder werden wir von Herrn Tang ermahnt, ja keine Fotos der Soldaten zu machen. Das Stimmengewirr ist gewaltig, immer wieder hören wir den typischen Sinsang „Om mani padme hum“. Plötzlich stehen wir vor der Bakhor-Straße, dem mittleren Pilgerweg, der um dem Jokhang Tempel führt und ca. 8 km lang ist. Der Jokhang Tempel ist der älteste Tempel in ganz Tibet und zählt mittlerweile zum Weltkulturerbe. Vor dem Tempel sehen wir rund 150 Pilger, die sich im Gebet zu Boden werfen.

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Doch wir haben kaum Zeit, uns dieses Schauspiel anzusehen, denn unser lokaler Reiseleiter drängt darauf, den Tempel zu besichtigen.

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Hier erfahren wir von ihm viel interessantes über die Geschichte Tibets und dieses Tempels und im besonderen die hier ausgestellten Statuen, die unterschiedliche Lamas repräsentieren. Wir hören von ihm, wie er versucht und zu erklären, wie die Entwicklung der Roten Mützen und der Gelben Mützen vonstatten ging und welcher Lama, ob Dalai Lama oder Panchen Lama, hier zu welcher Zeit gelebt hat. Das ist zwar wirklich sehr interessant, aber es fällt uns sehr schwer, seinen Worten zu folgen, weil er einerseits sehr schnell spricht, zum anderen die Namen der verschiedenen Heiligen für uns so fremd klingen. Als besonderes Highlight der Besichtigung hat sich der Besuch auf der Aussichtsterrasse auf dem Jokhang Tempel erwiesen. Wir hatten einen schönen Blick auf den Tempel selbst, aber viel mehr hat uns der Blick auf den nahen Potala-Palast gefesselt. Mit einem Blick über die Mauer konnten wir sowohl die Pilger vor dem Tempel beobachten, als auch das geschäftige Treiben auf dem großen Platz vor dem Tempel.

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Dieser Platz war bis 1985 nicht vorhanden. An seiner Stelle standen dutzende alte Häuser, die im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der autonomen Region Tibet zum Opfer gefallen sind.
Draußen sehen wir, wie groß der chinesische Einfluss auf die Tibeter ist. Es beginnt damit, dass Lhasa eine besetzte Stadt ist. Überall, an jeder Straßenecke stehen Soldaten in Uniform, auf jedem Platz ist ein Zelt aufgebaut, in dem Polizisten sitzen und in regelmäßigen Abständen patrouilliert eine Gruppe von 6-8 Soldaten in Formation über den Platz.

Gegen 12:15 Uhr machen wir uns auf den Weg zum Potala Palast. Als wir jetzt im hellen vor dem Palast stehen, sind auch wir von seiner Mächtigkeit überwältigt. Von der Ferne, als wir mit der Bahn angereist sind, kam er uns erst klein und unscheinbar vor, doch hier aus der Nähe ist es wirklich ein imposantes Bauwerk. Der Palast wurde im 17. Jahrhundert erbaut, von Ost nach West ist er 400 Meter lang und bis zu 117 Meter hoch. Er ist das beeindruckendste Zeichen tibetischer Architektur und auch im Westen gut bekannt. Seit 1994 zählt der Palast zum UNCESCO Weltkulturerbe. Heute leben in dem Palast etwa 90 Mönche. Es gibt rund 1000 Räume, von denen aber nur ein kleiner Teil für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
Erst begutachten wir ihn nochmal von außen. Auf dem Areal vor dem Palast gibt es eine besondere Stelle, wo sich der Potala Palast in einem kleinen von Bäumen umrahmten See spiegelt. Die Fotoapparate und Filmkameras glühen heiß.

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Früher war diese Areal eine einzige große Wasserfläche. Diese wurde von der Chinesischen Besatzung einbetoniert und nach dem Vorbild des Platzes „Tian Amen“ errichtet.

Um hineinzugelangen müssen wir mehrere Treppen erklimmen, was bei der brennenden Sonne gar nicht so einfach ist Wir mühen uns die 4 Steintreppen und etwa 360 Treppenstufen hinauf bis zum Besuchereingang des Palastes. Im Palast selber besuchen wir mit unserem lokalen Reiseleiter Herrn Tang 16 öffentliche zugängliche Räume, darunter verschiedene Audienzräume der einzelnen Dalai Lamas. Wir sehen Räume, in denen der Dalai Lama gelernt hat, in denen er private Gespräche geführt hat, etwa mit dem Österreicher Heinrich Harrer, der 7 Jahre in Tibet gelebt hat und darüber ein Buch geschrieben hat. Aber auch Räume, in denen Buddha Figuren standen, haben wir besucht, kleiner Tempel und viele Stupas haben wir gesehen. Unser Reiseleiter weiß wirklich eine Menge über den Buddhismus und die Geschichte der Dalai Lama, er konnte jede Figur, die wir in den Tempeln sahen, immer gleich richtig zuordnen. Wobei wir das natürlich nicht wirklich überprüfen können, denn für uns sahen sie alle gleich aus.

Nach 1 Stunde im inneren Teil des Palalstes (diese Zeit wurde uns zugeteilt) waren wir schon schwer beeindruckt von der Baukunst und der Geschichte dieses so für uns bisher sehr mysteriösen Landes. Tibet hat einfach etwas geheimnisvolles an sich und es ist ein besonders schönes und gleichzeitig auch Ehrfurcht erweckendes Gefühl, wenn man sich auf Gängen bewegt und Teppiche mit seinen Schuhen berührt, die der Dalai Lama, und dabei spreche ich dann von dem 14. Dalai Lama, mit seinen nackten Füßen berührt hat. Es ist wirklich eine Schande, dass der amtierende 14. Dalai Lama im Indien im Exil leben muss weil die chinesische Regierung ihn nicht einreisen lässt und ihn wie einen Staatsfeind behandelt.

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Gegen halb drei sind wir draußen und alle sind ziemlich erschlagen. Uns knurrt der Magen und wir müssen dringend etwas essen, bis zum Abendessen können wir nicht mehr warten. Herr Tang führt uns in die Nähe des Jokhang Tempels, wo wir abseits des großen Platzes in einer Nebenstraße ein nepalesisches Lokal betreten, das nur durch eine Eisenwendeltreppe zu erreichen ist. Das Essen in diesem Lokal, was zwar eindeutig ein Touristenlokal ist, ist sehr lecker. Wir sind alle von dem Vormittag noch so erschlagen, dass wir am liebsten gar nicht wieder aufstehen wollen, doch nach einer Stunde Pause mahnt Yuke zum Aufbruch. Es steht noch ein Nonnenkloster zusätzlich auf dem Programm.

Wieder laufen wir zu Fuß durch die Straßen und auf dem Bakhor Pilgerweg entlang, bis wir durch viele kleine verwinkelte Pfade schließlich vor dem Kloster stehen. Wir dürfen sogar in den Tempel hinein, wo die Nonnen gerade beim Lernen der buddhistischen Lehre waren. Es saßen etwa 50 Nonnen in dem Tempel auf ihren tiefliegenden Hockern, das Licht war schummrig und es roch nach ranziger Yak Butter. Doch die Nonnen lächelten uns zu und einige freuten sich, das wir da waren und ihrem Kloster Aufmerksamkeit widmeten. Wir durften fotografieren ohne ein schlechtes Gewissen zu haben und das nutzten wir natürlich aus, denn für uns war das alles neu und einfach nur faszinierend.

Herr Tang erklärte uns, dass in diesem Kloster etwa 100 Nonnen leben, die das Kloster auch auf eigenen Wunsch verlassen dürfen, um für eine Zeit unter weltlichen Bedingungen zu leben.

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Das Kloster wird vom Staat finanziert, was sich in erster Linie auf anfallende Reparaturen bezieht. Ansonsten lebt das Kloster von Spenden und den Eintrittsgeldern für die Besuchergruppen.
Nach dem Besuch des Kloster gehen wir eine Einkaufsstraße entlang zurück zum Hotel. Natürlich dauert der Weg so sehr lange, da eigentlich alle immer wieder links und rechts stehen bleiben und fotografieren oder nach schönen Souvenirs Ausschau halten. Uns kommen immer wieder viele Pilger entgegen, die unermüdlich ihre Gebetsmühlen drehen und dabei „Om mani padme hum“ singen. Von einigen Tibetern werden wir angefasst und ungläubig angestarrt. Manche betrachten uns wie Außerirdische.
Im Hotel angekommen sind wir alle sehr erschöpft. Das Abendessen um 19 Uhr nehmen wir im Hotel ein und statt dem erneuten Spaziergang am Abend zum Potala Palast fahren wir mit dem Bus noch einmal dort hin und machen ein paar Abendfotos. Dort finden unerwartete Wasserspiele auf dem großen Platz vor dem Palast statt. Das ist nochmal sehr kurzweilig und sorgt für zusätzliche Film und Videoaufnahmen.

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