14.10.2011 – Xining

Um 7 Uhr sorgte der automatische Weckruf dafür, das wir unsere noch etwas verschlafenen Körper aus den Betten schwangen. Die Nacht war sehr kalt gewesen, ich vermute, dass das Thermometer unter Null Grad gefallen war. Die Heizung, die zwar im Zimmer vorhanden war, wird in ganz China erst zu einem festen Termin eingeschaltet. In den meisten Provinzen ist dies der 15. November, in der Provinz Qinghai ist es der 15. Oktober. Doch das half uns wenig, dann wir würden ja bereits einen Tag vorher wieder abreisen.
Um halb acht war Frühstück angesetzt, doch da wir gestern Abend schon geduscht hatten, brauchten wir heute morgen nur noch unsere Koffer etwas umpacken und auf die Bahnfahrt vorbereiten.

Das Frühstück war sehr landestypisch, verschiedenes dampfnudelartiges Gebäck, Gemüse, Reis und Nudeln. Für uns immer sehr gewöhnungsbedürftig. Wir waren daher etwas zögerlich, wurden aber trotzdem satt.

Wir steigen in den Bus um halb neun, es ist kalt, das Außenthermometer des Busses zeigt nur vier Grad über null an. Xining ist an diesem Freitag morgen schon sehr geschäftig, auf den Straßen ist schon einiger Verkehr. Der Bus schiebt sich über die Straßen und die nicht vorhandenen Fahrspuren. Jeder fährt hier wie er will. Da wird gehupt und touchiert, das es ein Wunder ist, das die Chinesen noch alle ihren Führerschein besitzen.
Als erstes besuchen wir an diesem Tag eine Moschee, die Dung Guan Moschee, die größte in der Xinhai Provinz und die viertgrößte in ganz Nord-West-China.

 

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Sie ist um 1380 erbaut worden und von 1914 bis 1916 renoviert worden, darum sieht sie auch noch sehr neu aus. Der Baustil ist eine Mischung aus chinesischer Architektur, arabischer und tibetischer. Die Leute sind überall sehr neugierig. Wo bei den meisten verhaltene Schüchternheit zu finden ist, gibt es auch den ein oder anderen der ganz offen und neugierig auf uns zukommt und das Gespräch mit uns sucht. So auch ein älterer Muslim.

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Nachdem wir den Innenhof der Moschee ausgiebig besichtigt und unsere Fotos und Filmaufnahmen gemacht haben, geht es mit dem Bus weiter zum Kumbum Kloster, auf Tibetisch Taer Kloster. Auf dem Weg dorthin erzählt uns Tim, unser lokaler Guide, wie wir uns im Kumbum Kloster zu verhalten haben. Es gibt bestimmte Tabus, an die wir uns halten müssen, weil die 600 (früher 3.000 bis 4.000) heute noch dort lebenden Mönche dieser dort lebenden Gemeinschaft sehr streng sind und keinen Spaß verstehen. Wir dürfen in den Räumlichkeiten der Kloster nicht fotografieren, nicht rauchen, nicht mit dem ausgestreckten Finger auf Dinge zeigen, nicht auf die Schwellen treten und müssen die Gebetsmühlen im Uhrzeigersinn drehen. Die Mönche lassen sich auch nicht mit Geld bestechen. Ein Nein bedeutet Nein bei diesen Mönchen.
Der Weg zum Kumbum Kloster führt uns durch viele staubige Neubaugebiete. Man sieht sehr viele Hochhäuser, die einsam in der bergigen Gegend stehen. Das ganze Gebiet mutet wie eine Trabantenstadt an, hässlich und nicht wirklich interessant.
Wir hören von Tim, dass Xining nur 15 km vom Geburtsort des 14. Dalai Lama entfernt liegt und dass der tibetische Buddhismus eine Mischung aus dem chinesischen und dem nepalesischen Buddhismus ist.

 

An der Klosteranlage angekommen sind wir erstaunt, dass es trotz der Sonne, die sich nun so langsam zeigt, noch ganz schön frisch ist. Wir folgen zunächst dem Weg hinauf zum Gipfel eines kleinen Hügels, der gesäumt ist durch bunte Gebets-Fahnen, die an einem Faden aufgespannt sind. Einige spüren auch schon die Höhe, denn immerhin sind wir hier schon auf 2.200 m über dem Meeresspiegel. Von dem Gipfel hat aus hat man einen guten Überblick über das Gebiet, in dem sich die Klosteranlage befindet.

 

Nach dem Überblick gehen wir wieder hinunter und besichtigen die Klosteranlage. Schon auf dem Vorplatz sehen wir viele Mönche, junge und alte, in ihrer typischen roten und orangen Roben. Für die einzelnen Tempel bekommen wir eine Eintrittskarte, die moderner nicht sein könnte. An jedem Tempeleingang steht eine moderne Scanneranlage, die die Barcodes unserer Eintrittskarten liest und ein freundliches, aber etwas blechern klingendes „Chin Ying“, auf deutsch etwa übersetzt „Komm herein“.

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Viele Tempel werden besichtigt und das wird erst ein kleiner Vorgeschmack auf Tibet und speziell Lhasa sein. Wir sehen viele Buddhas und Gebetshallen, Mönche, die auf dem Weg zu ihren Lehrstunden sind um die buddhistischen Lehren zu lernen.

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In den Tempeln selbst, die im übrigen recht dunkel gehalten sind, Fenster gibt es keine, riecht es streng nach Yak. Das liegt zum einen an den Teelichtern, die aus Yakfett hergestellt sind, zum anderen an den aus Yakbutter gefertigten Skulpturen. In einer Halle steht die berühmteste und größte Yak-Butter Skulptur Chinas.
Die Zeit vergeht sehr schnell, obwohl Sibylle und ich eigentlich nicht so sehr an religiösen Dingen interessiert sind, aber die buddhistische Lehre mit ihren Ideen und Gewohnheiten ist schon irgendwie interessant.

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Gegen 13 Uhr 30 sind wir in einem von außen unscheinbaren Restaurant essen gegangen. Wir Europäer hätten hinter der schlichten Glasfassade kein Restaurant vermutet. Yuke platziert seine Fahne, ein Geschenk der China-Gruppe, an einem Schild vor dem Restaurant, damit auch die letzten Nachzügler den Weg in das Restaurant finden. Hindurch durch den Speiseraum, vorbei an den überraschten und interessierten chinesischen Gesichtern führt uns Tim über eine schmale Treppenstiege hinauf in einen extra Raum. Die Tische werden noch schnell abgewischt und ein paar Stühle herbeigeschafft. Für das Essen einigen wir uns auf Nudeln und Suppe. Darunter stelle ich mir eine kleine Schüssel mit heißem Wasser und ein paar Fertignudeln vor, doch was uns dann serviert wird, ist mehr als überragend! Die Suppe ist äußerst lecker, sehr pikant bis scharf und die Nudeln sind frisch zubereitet, wie wir uns bei einem Blick in die Küche im Keller überzeugen können. Hier hantieren fleißige Hände mit rasender Geschwindigkeit, das anfertigen der Nudeln geht sehr schnell und hat nichts von dem komplizierten, langwierigen Prozedere, das wir zu Hause immer damit verbinden. Es geht schnell und schmeckt einfach besser als ein Fertigprodukt. Yuke berichtet uns, dass diese Art der Suppenzubereitung berühmt für diese Gegend ist.

Nach einer Stunde Pause geht es weiter. Wir fahren zurück in die Stadt, denn heute Abend müssen wir ja mit der Lhasa Bahn weiterfahren. Die Fahrt dauert ca. eine Dreiviertelstunde, die sich als sehr anstrengend entwickelt, denn die Müdigkeit legt sich über uns und die reichliche Flüssigkeitsaufnahme drückt auf unsere Blasen. So ist denn auch unser erster Gang im Heimatmuseum, welches wir in der Stadt besichtigen, der Gang zur Toilette. Nach dem Besuch der Toilette kann man in durchweg erleichterte Gesichter schauen.

Das Museum selber ist leidlich interessant, es ist eben ein zeitlicher Lückenfüller.
Um 18 Uhr 30 finden wir uns an der behelfsmäßigen Bahnstation ein. Die Aufregung steigt langsam an. Die Stimmung in der Gruppe ist noch gut. Wir werden durch die große Wartehalle in einen behelfsmäßigen Raum für besser gestellte Passagiere geführt. Auf dem Weg dorthin gehen wir vorbei an Chinesen und Tibetern unterschiedlicher Herkunft, ich bilde mir ein, den strengen Yak-Geruch in der Nase zu haben. Es ist sehr laut, vielfältiges Stimmengewirr schwirrt durch die Halle, doch in dem recht großzügigen Wartesaal hören wir davon kaum noch etwas. Wir sitzen hier recht bequem auf großen Sesseln und vertreiben uns die Wartezeit mit Plaudern und Fotografieren.

Um 19 Uhr 55 geht es dann endlich los. Leider hatte der Zug eine halbe Stunde Verspätung, aber dann ging es endlich los. Die Aufregung wächst, wir strömen dem Ausgang entgegen, doch zunächst reihen wir uns in eine Schlange hinter den anderen ein. Als es dann wirklich los geht und die Türen geöffnet werden, sind die Chinesen und Tibeter recht rücksichtslos. Als gehe es darum, den besten Platz im Zug zu bekommen, drängen sich die Menschen an uns vorbei und es ist ihnen egal, ob sie uns auf den Treppenstufen mit ihren über die Schulter geschwungenen großen Säcken abdrängen.

Wir besteigen den Lhasa-Zug um 20 Uhr 12 und kaum haben wir unseren Waggon erreicht, da ertönt auch schon der Pfiff und der Zug fährt an. Wir versuchen zu unseren Abteilen vorzudringen, doch es ist nicht so einfach, denn die Gänge sind so schmal, dass unsere Koffer den ganzen Weg versperren. An unserem Abteil angekommen eröffnet sich uns dann der erste Schock. Vor wenigen Minuten hat anscheinend noch jemand in unseren Betten gelegen und unserem Abfalleimer voll gemüllt. Wir müssen erstmal nach dem Schaffner fragen, damit unsere Betten neu bezogen werden. Doch da muss man sagen, dass diese Schaffner hier im Zug schnell sind. Wir müssen gar nicht lange warten, bis eine junge Schaffnerin kommt und unsere Betten neu bezieht. Sie ist recht schnell dabei. Wir verstauen unsere Koffer im Zwischenraum zwischen den Waggons und machen uns dann fertig für einen kleinen Schlummertrunk im Abteil von Winnie, Gabi und Yuke. Mit Whiskey und etwas Knabberkram wird der Abschluss recht kurzweilig und lustig. Gegen 22 Uhr ziehen wir uns dann in unsere Abteile zurück und gehen zu Bett. Die Betten sind steinharte Pritschen und wir fürchten, dass wir keinen Schlaf finden werden, vor allem weil es noch sehr warm im Zug und den Waggons ist. Aber kaum liegen wir im Bett wird es auch ruhig, bis auf das Nachbarabteil, in dem noch reichlich gelacht und gesprochen wird. Doch darüber schlafe ich auch schon ein.

 

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