19.11.2014 – San Cristobal de la Casas

Da wir gestern den ganzen Tag im Bus verbracht hatten, entschied Thomas gestern abend, dass wir heute eine Stunde später starten konnten. Wir würden heute auf jeden Fall eine Wanderung und die Fahrt im Canyon machen.

Der Blick aus dem Hotel verhieß nichts Gutes. Der Himmel war grau und es nieselte ein wenig. Aber laut der Wetter-App von Jörg sollte es bis 13 Uhr sonnig bleiben.
Als wir um 9 Uhr am Bus waren und einstiegen, war dort bereits ein Platz besetzt. Dort saß unser lokaler Guide für den Tag, Juan. Juan sprach nur Englisch und Spanisch, so dass Thomas seine Worte übersetzen mußte. Er kam aus der Gegend, aus einem kleinen Ort im Bundesstaat Chiapas. Er machte einen sehr netten, aufgeschlossenen und vertrauenswürdigen Eindruck. Aber wie man noch sehen wird, kann man sich vom ersten Eindruck sehr täuschen lassen.

Zunächst fuhren wir etwa 90km mit dem Bus. Es ging aus San Cristobal heraus und durch Tuxtla hindurch. Die Wolken hingen immer noch sehr tief.

Nach etwa 90 Minuten Fahrt kamen wir am Sumidero Canyon an. Es war schon einiges los. Ein paar Busse und Pkws standen auf dem Parkplatz. Es ging rasch hinunter zur Bootsanlegestlle. Dort lagen eine handvoll Boote am Steg, ein paar weitere lagen im Fluss und warteten darauf, an den Anleger zu kommen. Die Boot boten Platz für 20 Personen. Wir wurden vom Bootsführer auf die Plätze eingewiesen, damit das Gewicht optimal verteilt war. Kaum saßen wir alle, ging die Fahrt auch schon los. Zunächst fuhren wir einfach den Fluss hinauf. Wir kamen unter einer alten Brücke hindurch und passierten die Kontrollstation, an der wir alle unsere Arme mit den Kontrollbändchen hochhalten mussten. Ohne Probleme passierten wir die Station und fuhren tiefer in den Canyon hinein.

Kaum hatten wir die Station hinter uns gelassen, drehte der Bootsführer den Motor auf und wir gewannen rasant an Fahrt. Wie in einem Speedboot schossen wir über das Wasser immer tiefer in den Canyon hinein. Plötzlich wurde das Boot langsamer und wir hielten auf das rechte Ufer zu. Jemand zeigte nach oben und Thomas erklärte uns, das oben in den Baumwipfeln ein Affe hing. Wir versuchten ihn zu erkennen, doch kaum hatten wir ihn erblickt, hangelte er sich auch schon ins Dickicht und wir fuhren langsam weiter.

Vor uns öffneten sich die Wände des Canyons und wir blickten an gewaltigen Felsformationen empor.

Beeindruckt und ein bißchen mit Erfurcht schauten wir hinauf, sahen die Geier oben an der Spitze der Berge nahe den Wolken.

Das Boot drehte wieder auf und wir schossen noch tiefer in den Sumidero Canyon.

Wieder ging es in Richtung Ufer. Ein Krokodil lag hinter Schilf auf einem Stein, ein kleines Krokodil zwar, aber immerhin.

Und weiter ging es mit Karacho.

Bis 1000 Meter hoch türmten sich die Wände des Canyons zu unseren Seiten auf. Obwohl wir nicht allein auf dem Fluss waren, fühlten wir uns ein wenig in der Zeit zurückversetzt.

Wir kamen zu einer Stelle im Canyon, wo sich an der Felswand eine Formation gebildetet hatte, die wie ein Weihnachtsbaum aussah. Entstanden ist dieses Gebilde durch das an den Felswänden herunterfallende Wasser und dem Moos, das sich auf den Wänden gebildet hatte. Dadurch war im Lauf der Jahre diese interessante Struktur entstanden.

Wir drehten um und fuhren langsam wieder zurück. Doch mit einem Mal hielten wir wieder auf das Ufer zu, denn dort hatte bereits an anderes Boot halt gemacht. Als das Boot langsam weiter fuhr, sahen wir den Grund für den Stopp. Ein großes Krokodil lag mit offenem Maul in der Sonne und versuchte sich zu wärmen.

Um mich herum klickte es ununterbrochen, jeder versuchte ein Foto zu machen und den besten Blickwinkel zu bekommen. Als alle Fotos geschossen waren, ging es wieder weiter. Kurze Zeit später hielten wir wieder an, dieses Mal auf der anderen Seite des Canyons. Auf einem Stein lag noch ein Krokodil. Ein weiteres lag am Uferrand. Wieder klickten die Kameras und unsere Hälse wurden immer länger.

Dann mussten wir wieder zurück. Mit gleichbleibender Geschwindigkeit fuhren wir den Fluss entlang zurück zum Anleger. Alle waren zufrieden, keinem war schlecht geworden. Eine wirklich tolle Bootsfahrt und wir hatten mit dem Wetter ein Riesenglück gehabt.

Nach diesem wunderschönen Erlebnis wurde es etwas chaotisch. Laut Reiseplan und der Aussage von Thomas am Abend zuvor, war für den weiteren Tagesverlauf eine Wanderung zu einem Papageienloch vorgesehen. Thomas hatte uns gestern noch zugesichtert, dass wir heute auf jedem Fall Zeit hätten für eine Wanderung und die Fahrt durch den Canyon. Doch heute stellte er mit einem Mal diese Wanderung zur Diskussion und lies abstimmen. Objektiv konnte man den Eindruck gewinnen, das er eigentlich keine Lust auf die Wanderung hatte, denn die Art seiner Formulierung warf ein negatives Licht auf diesen Tagespunkt. Die Gruppe begann zu diskutieren. Die Mehrheit war dafür, die Wanderung ausfallen zu lassen und statt dessen zu einem Aussichtspunkt zu fahren und noch einmal in den Canyon hinab zu blicken. Anschließend wollte diese Gruppe dann noch ein kleines Dorf besuchen.

Der aktivere Teil der Gruppe war aber daran interessiert, die Wanderung zu unternehmen, auch wenn es bedeutete, 2 Stunden mit dem Bus zu fahren um an schließend eine Stunde wandern zu gehen. Nach viel Diskussion und nicht verständlicher Argumentation von Thomas wurde entschieden, dass die aktivere Gruppe sich ein Taxi nehmen sollte und der andere Teil den komfortablen Bus nehmen würde, um zum Aussichtspunkt zu nehmen. Und das, obwohl die Wanderung eigentlich Bestandteil des Papaya-Tours Programms war. Ausserdem sollten wir, die wir wandern wollten, auch noch den Preis des Taxi zahlen!

Dies war eine Argumentation, die wir überhaupt nicht nachvollziehen konnten, ganz entgegen dem anderen Teil der Gruppe, die sich im Recht fühlten weil sie in der Mehrheit waren. Wir verzichteten darauf, weiter zu streiten und ließen die anderen ziehen. Juan, der lokale Guide, würde uns zum Papageienloch begleiten. Wir waren sieben Personen und als das Taxi kam pressten wir uns hinein. Es war viel zu eng, wir konnten uns kaum bewegen. Es war heiß und meine Knie stiessen an den Vordersitz,  den Verschluss des Anschnallgurtes hatte ich auf dem Steissbein und konnte mich 2 Stunden kaum bewegen. Wir fuhren durch Tuxtla und kamen immer weiter hinaus. Die letzten 12 Kilometer ging es dann über einen schlammigen Feldweg, auf dem das Taxi so seine Schwierigkeiten hatte. Ein paar Mal rutschte das Taxi zur Seite und wir fürchteten, das wir gleich stecken bleiben würden. Aber alles ging gut und wir kamen am Ziel an.

Leider war das Wetter nicht optimal. Es war sehr windig und bedeckt. Der Guide meinte, dass wir aufgrund des Wetters wohl keine Papageien sehen würden. Wir entschieden uns, da wir jetzt schon mal hier waren, auch hinein zu gehen und die Wanderung zu machen. Nachdem wir erfuhren, dass wir auch die Eintrittskarten noch bezahlen mussten, die ja eigentlich Teil des offiziellen Programms waren und mit dem Reisepreis schon bezahlt waren, schwand unsere Stimmung. Aber wir nahmen auch das in Kauf.

Nach wenigen Minuten waren wir an dem Loch. Es war ein runder, bewaldeter Krater mit einem Durchmesser von etwa 200 Metern und 450 Meter Tiefe.

Ein steiniger Weg führte unter Bäumen und Sträuchern um den Krater herum. Aber wir sahen keine Papageien, nur einen kleinen gelben Wellensittich mit schwarzem Schwanz. Aber sobald wir ihm uns näherten, flog er davon.

Nach dem halben Rundgang und nur 15 Minuten kamen wir beim Restaurant an. Es war einsam und verlassen, nur der Besitzer kam auf uns zu. Wir erfuhren, dass man im Krater wandern konnte. 70 Peso pro Person würde dies kosten. Da das Wetter nicht optimal war, entschieden Sibylle und ich uns zunächst gegen die Wanderung. Auch Linda und Sebastian wollten davon absehen. Nur Jörg und Kerstin wollten die Wanderung machen, die etwas eine Stunde dauern würde. Während wir am überlegen waren und auch mit Juan diskutierten und er uns plötzlich sagte, dass der Abstieg in den Krater und die Wanderung herum im Eintrittspreis enthalten sei, da entschieden wir uns, doch mitzumachen. Wenn wir schon diesen beschwerlichen Weg auf uns genommen hatten, wollten wir auch etwas Spaß haben.

Wir wurden mit Bergsteigergurt und Helm versorgt. Was für ein Glück! Ich entdeckte einen Helm, auf dem eine GoPro Halterung angebracht war. Das war meiner!

Schnell stiegen wir in das Sicherungsgeschirr und setzten die Helme auf. Dann folgten wir Juan und dem Kraterführer Franceso auf einem steinigen Weg zu einer Stelle am Krater, wo wir in das Dickicht hinabsteigen mussten. Über rutschige Steine und unter Sträuchern arbeiteten wir uns immer tiefer vor, bis wir zu der Stelle kamen, an der wir endlich gesichert wurden.

Dann gingen wir auf Klettertour. Immer am Seil entlang stiegen wir über die Steine und waren schnell nur noch einen Meter vom Rand des Weges entfernt, von dem es noch etwa 200 Meter hinab ging! Das Adrenalin begann zu fließen.

Aber wir vertrauten den Sicherungen und folgten Juan, der vorne weg ging, auf dem Weg am Rand des Kraters entlang. Nach wenigen Metern behagte es Linda nicht mehr und sie und Sebastian kehrten wieder um. Ich konnte das verstehen. Damals beim Behive im Acadia National Park war es mir genauso gegangen.

Zu viert  folgten wir nun Juan. Sibylle ging direkt hinter Juan, der ihre Kamera trug und immer wieder Fotos machte. Dann kam ich, anschließend Kerstin und Jörg. Am Schluss sorgte Francesco dafür, dass keiner zurückblieb. Wir kraxelten über die Steine und hatten immer die klaffende Tiefe neben uns. Mulmig wurde es uns schon, als wir hinab blickten. Doch immer wieder wies Juan nach oben und zeigte uns die uralten Handabdrücke in den Felswänden über uns.

Plötzlich rief Francesco von hinten und fragte nach der Kamera. Wir liessen sie für ihn auf dem Felsen liegen und kletterten weiter. Er nahm die Kamera und begann von hinten Fotos zu machen. Offensichtlich kannte er sich mit der Kamera aus und wußte sie zu bedienen.

Viel zu schnell war der spannende Rundgang zu Ende und wir hatten das Ende des Sicherungsseils erreicht. Durch den bewaldeten Teil des Kraters ging es wieder hinauf bis zum Steinweg, der uns bis ganz nach oben führt. Es war ein wirklich tolles Erlebnis, definitiv das Highlight des Tages!

Dann gingen wir wieder zurück zum Taxi. Uns graute vor der Enge und der Tatsache, das wir für den Rückweg sogar noch länger benötigen würden. Aber nach diesem tollen Erlebnis würde es vielleicht nicht ganz so schlimm werden.

Nach 2 1/2 Stunden kamen wir dann in San Cristobal im Hotel an. Der Taxifahrer wollte natürlich jetzt seine 2000 Peso von uns haben. Wir begannen das Geld zusammenzusuchen, Kerstin hatte es schon in der Hand, als Juan uns erklärte, er würde sich um die Bezahlung kümmern. Wir könnten ruhig zum Essen gehen, weil er sich mit Thomas in Verbindung setzen würde, um die Angelegenheit zu klären. Wir versicherten uns nochmal, dass er dies Ernst meinte, und gingen dann auf unsere Zimmer. Vorher bedankten wir uns noch bei ihm für den tollen Tag und gaben ihm ein Trinkgeld.

Es ging noch kurz in die Stadt und eine Kleinigkeit essen, dann fielen wir todmüde ins Bett.